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Ein Bericht über Lage und die Kämpfe der iranischen Arbeiter*innen und Lohnabhängigen vom Mai 2021 bis April 2022

Ein Bericht über Lage und die Kämpfe der iranischen Arbeiter*innen und Lohnabhängigen vom Mai 2021 bis April 2022

Liebe Genossinnen und Genossen,

Die Arbeiter*innen-Kommission der Linkspartei Irans (Volksfadaian) veröffentlicht jährlich aus Anlass des 1. Mai einen Bericht über die Lage der iranischen Arbeiter*innenbewegung für die Parteien und Gwerkschaften in anderen Ländern sowie für alle Interessierten. Hiermit stellen wir den Bericht über den Zeitraum Mai 2021 bis April 2022 vor und stehen für Fragen und weitere Informationen gerne zur Verfügung.

 

Über 2.000 Streiks und Proteste innerhalb eines Jahres in Iran

Einige Quellen gehen von einer Zahl bis 3.000 Protesten der Arbeiter*innen im Berichtszeitraum aus. Diese Zahl mag unglaublich erscheinen, was aber nichts daran ändert, dass solche Schätzungen nicht verfehlt sind. Im Vorjahreszeitraum gabe es ungefähr 2.000 Streiks der iranischen Arbeiter*innen. Seit Jahren steigt diese Zahl Jahr für Jahr. Zu dieser hohen Zahl von Steriks und Protesten kommt es unter Bedingungen der Kriminalisierung von Streiks durch die Herrschenden und der scharfen Repressalien gegen Gewerkschafter*innen. Einige von ihnen sind zu Gefängnis bis 20 Jahre und darüber hinaus zu Peitschenhieben, Geldstrafen, Entlassung und Entzug des Rechts auf jegliche gesellschaftliche Aktivität verurteilt worden.

Schärfere Repressalien und Strafen

In letzter Zeit haben die iranischen Gerichte das Strafmaß für Aktivist*innen und Funktionär*innen der Gewerkschaften erhöht. Immer mehr Menschen werden verfolgt und verurteilt. In einigen Fällen wird dem Rechtsbeistand der Angeklagten der Zugang zur Verhandlung verwehrt. Ferner werden auch einige Jurist*innen, die sich weigern, auf Druck der Sicherheitsorgane von sich aus den Angeklagten den Rechtsbeistand zu verweigern, zu Haftstrafen verurteilt. Zurzeit befinden sich zehn aktive Mitglieder des Koordinationsrates der Lehrer*innengewerkschaften im Gefängnis. Weitere warten auf ihren Prozess, und andere erwarten die Zustellung des Urteils des Gerichts.

Zum Beispiel wurde im letzten Monat der Lehrer S. Rouintan vom Gericht wegen gewerkschaftlicher Betätigung trotz Ruhestands zu 20 Jahren Haft verurteilt. Esmail Abdi, einer der Führer der landesweiten Organisation der Lehrer*innen, der zu zehn Jahren Haft verurteilt worden ist, verbüßt diese Strafe seit sieben Jahren im Gefängnis. Rasoul Bodaghi, ein anderer Führer der Lehrer*innengewerkschaft, verbrachte sieben Jahre im Gefängnis. Er wurde im April 2022 erneut und diesmal zusammen mit einen anderen Lehrer namens Hamid Ghandi, vor Gericht gestellt. Beide warten nun auf das Gerichtsurteil. Esmail Gerami, aktiv in der Bewegung der verrenteten Arbeiter*innen, wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt und verüßt diese Strafe seit einem Jahr. Nach Angaben von Ali-Akbar Baghani, einem der Führer der Lehrer*innengewerkschaft, der selbst wegen gewerkschaftlicher Tätigkeit viele Jahre im Gefängnis und im Exil verbracht hat, haben die Führer der beiden wichtigsten Lehrer*innenverbände, des Koordinationsrates und des Berufsverbands, insgesamt 100 Jahre im Gefängnis verbracht. Nach dem mit genauen Angaben versehenen Bericht Baghanis haben die Mitglieder dieser beiden Organisationen seit dem Beginn ihrer gewerkschaftlichen Betätigung zu 500 Jahren Gefängnis, Exil und Aussperrung verurteilt worden.

Eines der Mitglieder, Farzad Kamangar, wurde nach Jahren in Haft, hingerichtet. Auch vor dem Beginn der Aktivität dieser zwei Organisationen waren viele Lehrer*innen verhaftet, entlassen oder sogar ermordet worden. 28.000 Lehrer*innen wurden in den ersten Jahren nach der Revolution 1979 von den Vollstreckern der sogenannten Kulturrevolution entlassen. Viele Gwerkschafter*innen wurden in den letzten Jahren verhaftet und verurteilt. Viele von ihnen befinden sich noch im Gefängnis. Zum Beispiel sei hier Ehsan Shapouri erwähnt, einer der Führer der Freien Gewerkschaft der Arbeiter*innen, erwähnt, und Ali Eshagh sowie zwei der Führer*innen des Zentrums der Verteidiger*innen der Arbeiter*innenrechte names Alireza Saghafi und Haleh Sarafzadeh, die sich noch in Haft befinden. Sepideh Gholian, eine der Unterstützerinnen und Berichterstatterinnen der Streiks der Zuckerfabrik Haft-Tappeh, ist seit Jahren im Gefängnis. Allein im vergangenen Jahr wurden hunderte Aktivist*innen der Arbeiter*innenbewegung wegen Beteiligung an Streiks verhaftet und entlassen. Trotzdem haben diese Repressalien die Ausbreitung von Arbeiter*innenprotesten in Iran nicht verhindern können.

Im vergangenen Jahr kam es zu elf landesweiten Streiks und Protesten in mindestens 150 Städten. Diese Kämpfe wurden nach Aufruf und Organisation durch den Koordinationsrat der Berufsverbände der Pädagog*innen durchgeführt, eine Organisation, der trotz Repressalien und Behinderungen der Aufstieg zu einer landesweiten Gewerkschaft gelungen ist. An diesen Kämpfen nahmen zehntausende Lehrer*innen teil. Ihre Forderungen sind Lohnsteigerung für Lehrer*innen und alle anderen Beschäftigungen im Schulwesen, die Beendigung von Privatisierungen, kostenlose Bildung, Bildungsgerechtigkeit, Organisation von staatlichen Bildungsprogrammen, Bau von Schulen in entlegenen Regionen und Armutsvierteln sowie die Freilassung inhaftierter Lehrer*innen.

Ausweitung von Protesten und Streiks

Die Ursache der Ausweitung und Verschärfung der Arbeiter*innenprotesten liegt in den ökonomischen und gesellschaftlichen Maßnahmen und dem Versuch der konservativen und marktorientierten Herrschaft, die Arbeitskraft zu entrechten, zu unterdrücken und zum Schweigen zu bringen.

Die Anlässe dieser Proteste und der Forderungen der Protestierenden sind immer die gleichen. Sie fordern die Anpassung der Löhne an die realen Lebenshaltungskosten, die pünktliche Lohnzahlung ohne Verzug, Anerkennung des Rechts auf Streiks und gewerkschaftliche Tätigkeit, wirksame und kostenlose Krankenversicherung, Stopp der Aushebelung von Förder- und sozialer Gesetzgebung, Freilassung der Gewerkschafter*innen, Arbeitsbeschaffung, Auflösung der Leiharbeitsfirmen, Sicherung der Arbeitsplätze, Ende der Privatisierungen und der Diskriminierung von Arbeiter*innen bei der Entlohnung.

Im Kern entspricht der ökonomisch-soziale Kurs der iranischen Regierung einer neoliberalen Politik. Die Privatisierung öffentlichen Eigentums wird mit hohem Tempo fortgesetzt. Die meisten staatlichen Firmen wurden dem privaten Sektor, oder genauer gesagt den Schützlingen der Regierung überlassen oder sind kurz davor.

Aufhebung von Förder- und soziale Gesetzen

Die meisten Förder- und sozialen Gesetze sind aufgehoben worden. Seit Jahren wird versucht, Löhne einzufrieren, weshalb der Lebensstandard von ca. 60% der Bevölkerung die Armutsgrenze unterschritten hat.

Tägliche Teuerung und Inflation

Die letzte offiziell bekanntgegebene Inflationsrate beträgt 40,2 %.

Arbeitslosigkeit

Nach jüngsten Angaben beträgt die Arbeitslosenquote 40,9 %, was im Jahresvergleich um 0,5 Prozentpunkte gesunken ist. 38,1 % der Hochschulabsolvent*innen sind arbeitslos. Nach offiziellen Angaben gelten 27,8 % der sich als arbeitsgähig meldenden Frauen erwerbslos. Gleichzeitig wird der Frauenanteil an Beschäftigung mit 15 % angegeben. Expert*innen geben an, dass die Frauenerwebslosenquote in Wirklichkeit bis 38 % beträgt.

93 % der Arbeiter*innen sind temporär beschäftigt

Nur 5 bis 7 % der Arbeiter*innen sind in offizieller Dauerbeschäftigung. Der Rest ist in kurzfristgen Arbeitsverhältnissen. Die Unternehmer dürfen die Arbeiter*innen entlassen, wann immer sie wolleen.

Verzug in Entlohnung

Ein weiteres zunehmendes Problem der Arbeiter*innen ist der Verzug in Lohnzahlungen. Dieser Verzug beträgt im Privatsektor zeitweilen bis ein Jahr und mehr. Die Arbeitsverwaltungen und andere staatliche Organisationen gehen den Beschwerden der Arbeiter*innen über die Unterhmer nicht nach oder beschützen die Unternehmer und deren Interessen.

Aufhebung von Subventionen für Grundbedürfnisse

Die schrittweise Aufhebung von Subventionen, die vor Jahren einsetzte, wurde im vergangenen Jahr mit nie dagewesenem Tempo fortgesetzt. Es gibt nur Artikel, die vom Staat subventioniert werden. Das Ende der Subventionen für wichtige improtierte Waren hat die plötzliche Steigerung, teils die Vervielfachung der Preise von Medikamenten, Fleisch und anderen eiweißhaltigen Lebensmitteln, Brot, Zucker, Reis, Speiseöl und weiteren Grundnahrungsmitteln verursacht. Der Zugang zu diesen Lebensmitteln ist für die meisten Lohnabhängigen und Rentner*innen schwieriger denn je.

Rückgang des Frauenanteils an Beschäftigung und Zunahme der Diskriminierung und Untedrückung von Frauen

Lohn- und andere Diskrminierungen von Frauen sind verbreitet. Solche Diskrminierungen werden auch von der Regierung anerkannt und exerziert. Die meisten Frauen, die im nichtstaatlichen Sektor oder im inoffiziellen Sektor arbeiten, genießen keine Arbeitsschutzrechte. Diskrminierung ist im inoffiziellen Sektor viel schärfer als im offiziellen. In den meisten privaten Firmen werden vor der Einstellung von Frauen ihnen Bedingungen aufgezwungen, nach denen sie auf viele ihrer natürlichen Rechte wie Heirat und Mutterschaft verzichten müssen. In den meisten Firmen gibt es keine günstigen oder gar kostenlosen Kindertagesstätten. In vielen Fällen wird den Frauen nach dem Mutterschaftsurlaub die Wiedereingliederung in den Beruf verweigert. Staatliche Verwaltungen und Firmen bevorzugen die Einstellung von Männern. Auch die sexuelle Belästigung und Missbrauch von Frauen ist verbreitet.

Zunahme von Kinderarbeit

Die Zahl der arbeitenden und auf der Straße lebenden Kinder nimmt Jahr für Jahr zu und deren Alter jährlich ab. Zurzeit gibt es im Land Millionen arbeitende bzw. auf der Straße lebende Kinder. Viele von ihnen sind weniger als acht Jahre alt. Die Ursachen der Zunahme der Kinderarbeit sind sinkende Löhne und Verbreitung von Armut und Arbeitslosigkeit, die Steigerung der Lebenshaltungskosten, die Einführung von Schulgeld selbst in staatlichen Schulen, die Legalisierung von Kinderarbeit und die Verletzung der UN-Kinderrechtskonvention.

Weit verbreitete Diskriminierung von arbeitenden Migrant*innen

Es gibt keine verlässliche Statistik über die Zahl der arbeitenden Migrant*innen in Iran. Nach inoffiziellen Angaben beträgt die Zahl dieser Arbeiter*innen, die meistens aus Afghanistan stammen, zwischen zwei und drei Millionen. Nach der Rückkehr der afghanischen Taliban an die Macht hat die Zahl der in Iran lebenden Afghan*innen trotz der in Iran gegen sie ausgeübten Repressalien zugenommen. Die hohe Erwerbslosigkeit in Iran und die scharfe Konkurrenz um Arbeisplätze hat zur die schon immer vorhandene Diskrminierung der arbeitenden Migrant*innen verschräft. Migrant*innen werden gezwungen, sich mit niedrigeren Löhnen abzugeben, härtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren und für die niedrigeren, ihnen gezahlten Löhnen mehr Arbeitsstunden zu leisten. Ihnen werden Versicherungen und anderweitiger Schutz verwehrt.

Unsere Kontaktadresse: international@LPI-PF.org

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